Über meine Kunst

I N T E R V I E W  vom 01.04.2023


dpi: Herr Kabzinski, Ihre frühen Arbeiten sind entweder Fotografien oder Ölbilder, die sich auf Fotografie beziehen. Ist Ihnen die Wirklichkeit wichtiger als die Idee?

RK: Ja. Sie ist vielfältiger, mindestens so irrsinnig und in der Regel origineller.

dpi: Aber malen lässt sich doch auch etwas, das es gar nicht gibt.

RK: Ja, aber man muss schon viel nach der Natur gemalt haben, bevor man an den Formenreichtum der Natur heranreicht. Meistens bleibt das Bild hinter gesehenen Bildern zurück.

dpi: Aber inzwischen lösen Sie sich ja oft von der Realität.

RK: Weil mich neben der Wirklichkeit das Medium interessiert. Und das Verhältnis des Mediums zum Dargestellten. dpi: Das klingt danach, als wäre die Wirklichkeit doch nicht so wichtig.

RK: Stimmt. Sie liefert die Formenvielfalt, das visuelle Material, dem sich der Künstler aus seiner Perspektive annähert. dpi: Wie nah wollen Sie an sie heran? Mögen Sie Fotorealismus?

RK: Ja, aber ich bin nicht geduldig genug, um drei Monate an einem Bild zu malen. Ich bin glücklich, wenn ich einen Aspekt der Welt glaubwürdig einfangen konnte.

dpi: Welche Welt meinen Sie, was interessiert Sie am meisten?

RK: Alles, was sich bildnerisch umsetzen lässt und nicht allzu verbraucht ist. Es wurde ja schon so viel und so toll gemalt und gezeichnet. Die Welt bietet viele Motive. Das können Haare, Schuhsohlen, Köpfe, Zopfspanngen oder Leuchtstoffröhren sein, eine bestimmte Lichtsituation, eine witzige Szene. Eigentlich kann alles zum Bildmotiv werden.

dpi: Sind Stillleben- und Landschaftsmalerei „verbraucht“?

RK: Nein, z.B. wenn neue Vanitaszeichen eingebracht werden oder langweilige Landschaften durch Form und Farbe belebt werden, lohnen sich die Motve noch immer.

dpi: Sie sprachen von tollen Bildern, wer gehört zu Ihren Vorbildern?

RK: Horst Jansen ist ein großartiger Zeichner, bei den Malern gehören David Hockney, Gerhard Richter, Francis Bacon und Norbert Tadeusz zu meinen „Helden“, auch Edgar Degas und natürlich Picasso. Alle Genannten können auch gut zeichnen. Sie haben eine ausgezeichnete Wahrnehmung und beherrschen ganz unterschiedliche Medien.

dpi: In neuerer Zeit zeichnen Sie viel. Was reitzt Sie daran so sehr?

RK: Ich benötige weniger Zeit als für Gemälde und kann daher mehr ausprobieren. Ich bin ungezwungener, offener für Experimente. Der Bleistift ist ein wunderbar flexibles Medium und ist so direkt, kann zart und brutal sein.

dpi: Es gibt aber auch einige abstrakte Werke. Steht das nicht im Widerspruch zu vielem Gesagten?

RK: Das finde ich nicht. Es ist ja ein legitimer Versuch, etwas zu erfinden, das ähnlich komplex und interssant ist wie die Wirklichkeit. Oft gelingt das nicht. 90 Prozent der ungegenständlichen Bilder, die ich kenne, finde ich sehr langweilig. Die restlichen 10 Prozent sind ein Ansporn für die eigene Arbeit.

dpi: Einige Bildmotive erscheinen immer wieder, dennoch kann man dein Eindruck gewinnen, dass Sie nicht thematisch arbeiten.

RK: Stimmt. Ich beabsichtige weder die Welt zu belehren noch mich zu langweilen, indem ich mich z.B. auf drei Farben und Senkrechten und Waagerechten konzentriere. Ich kann verstehen, dass Künstler - dem Wissenschaftler gleich - systematisch und unter kontrollierten Bedingungen experimentiert und alle Varianten austestet. Ich habe den Eindruck, dass ich vorweg Misslingendes ausschließen kann.

dpi: Das klingt, als existierte das Ergebnis schon im Kopf und werde dann praktisch aus der Vorstellung realisiert. RK: Nein, gar nicht. Dann wäre der Spaß vorbei. Es bleibt immer ein Experiment. Risiko ist immer im Spiel. Meine Stilllosigkeit erzwingt dies ja geradezu.

dpi: Sie haben auch mit digitalen Medien experimentiert. Was schätzen Sie daran?

RK: Ich schätze sie immer weniger. Die Variationsmöglichkeiten sind so endlos, sodass Motiv und Absicht randständig werden können. Auch das vielfache Undo steht im Widerspruch zum experimentellen Charakter eines auf Papier oder Leinwand entstehenden Werkes. Ein digitales Werk kann immer perfekt werden, es ist nur eine Frage der Zeit.

dpi: Zum Abschluss möchte ich noch eine persönliche Frage stellen. Wieviele Bilder haben Sie schon verkauft?

RK: Einige Auftragsarbeiten und wenige weitere. Ich war nicht darauf angewiesen, habe es nicht darauf angelegt. Von vielen Arbeiten wollte und will ich mich auch nicht trennen. Aufgrund des Platzproblems sehe ich das inzwischen etwas anders, bin aber nach wie vor nicht traurig, wenn ich nichts verkaufe.

dpi: Wir danken Ihnen für das Gespräch.

RK: Gern.

(Das fiktive Interview mit Rolf Kabzinski führte Dieter P. Imhof)